Direkt zu den Hauptinhalten

Interview mit Evan Dicken: Anatomie einer aelfischen Meuchelmörderin

Maleneth Hexenklinge kehrt im spannenden neuen Roman Shade of Khaine von den Toten zurück, um ihr erstes Solo-Abenteuer zu bestreiten. Wir haben mit Autor Evan Dicken über die Geschichte und die kunstreiche aelfische Heldin darin gesprochen.

Warhammer Community: Wie war es, einen Nebencharakter zu einer Protagonistin in ihrem eigenen Roman zu machen?

Evan: Einschüchternd, das muss ich schon sagen. Wir sind Maleneth schon durch eine Handvoll Romane und Kurzgeschichten gefolgt, also gab es nicht nur viel Hintergrundgeschichte zu beachten, sondern auch, dass Leser und Leserinnen (mich eingeschlossen) schon sehr an ihr hingen. Ich wollte der liebsten khainitischen Meuchelmörderin einen persönlichen Anstrich verleihen, aber ich wollte auch, dass Maleneth für Fans der Slayer-Romane auch weiterhin erkennbar blieb.

Außerdem war schwierig daran, dass Maleneth über ihre Reise hinweg so gewachsen war. Dieses Mordinstrument des Ordens von Azyr ist zu einem komplexen Charakter mit Zielen und Wünschen geworden. Ihre Verbindung mit Gotrek war besonders wichtig für ihre Entwicklung, was ich auch respektieren wollte. Der Slayer ist ein starker Einfluss auf sie, zum Guten wie zum Schlechten. Schlussendlich aber wollte ich für niemanden den Anschein erwecken, dass ein Roman über Maleneth lediglich ihre Zeit mit Gotrek noch einmal ablaufen würde.

Ehrlicherweise ist es ein Testament an die gute Arbeit, die die Autoren vor mir an Maleneth geleistet haben, um sie zu einem voll ausgereiften Charakter zu machen. Alles Gute an Shade of Khaine fußt auf der Arbeit von David Guymer, Darius Hinks, Robbie MacNiven und Gary Kloster. Das war keine leichte Aufgabe, aber ich hoffe, dass ich sie gut erfüllt habe.

WarCom: Was macht Maleneth im Vergleich zu anderen Aelfen, wie etwa Elarin aus deinem vorherigen Roman Children of Teclis, so einzigartig?

Evan: Ein interessanter Vergleich! Die Handlungsbögen für diese zwei Charaktere sind vollkommen gegenläufig. Elarin ist eine fundamental gute Person, die aus guten Gründen schlechte Entscheidungen treffen musste. Maleneth dagegen ist (zumindest zu Beginn) eine fundamental böse Person, die aus den falschen Gründen gute Entscheidungen treffen muss. Sie mag damit begonnen haben, dass sie streunende Katzen tötete (und irgendwann khainitische Matriarchinnen), aber gegen Ende ihrer Reise mit Gotrek Gurnisson, denke ich, können wir alle übereinstimmen, dass sie einen moralischen Kompass entwickelt hatte.

Und genau diese Gegensätzlichkeit macht Maleneth zu einem interessanten Charakter. Sie mag eine Mörderin sein und eine Kultistin, die einem Gott dient, der nichts als Blut und Mord will. Sie kann kalt sein, berechnend, sogar grausam, aber sie hat auch Loyalität und Gerechtigkeit kennengelernt. So viele Aspekte von Maleneth wurden über ihre Beziehungen definiert, die mit ihrer Herrin, mit dem Orden von Azyr, mit Gotrek, dass es sehr interessant war, sie davon loszutrennen und einmal zu sehen, wie sie sich eigenständig entwickelt. Natürlich ignoriere ich Maleneths Vergangenheit nicht. Im Gegenteil! Dennoch ist die Maleneth, die sich am Ende von Im Bann der Seelenjäger für Gotrek opfert, eine völlig andere Person, die in Realmslayer noch darüber fantasiert, ihn zu vergiften.

Es hat sehr viel Spaß gemacht, die neue Maleneth zu nehmen und in eine Stadt zurück zu schicken, in der sich alle nur an die alte Maleneth erinnern. Dies ergab nicht nur viele interessante Begegnungen mit Charakteren, die sie betrogen hatte (oder versuchte zu töten), sondern gab mir auch die Gelegenheit, zu zeigen, wie sehr Maleneth als Person gewachsen ist.

WarCom: Wie bist du vorgegangen, um die Stadt Nightcliff auszubauen? Und was macht sie unter den Siedlungen der Reiche der Sterblichen einzigartig?

Evan: Ich versuche immer, mit dem Reich selbst zu beginnen. Die Reiche der Sterblichen sind ein solch faszinierender, einzigartiger Ort. Ich habe auch versucht, die Kernthemen von Maleneth einzuweben, nämlich Heimlichkeit, Verschwiegenheit, rastlose Erinnerungen und natürlich Mord.

Das Reich der Schatten hat eine sehr reiche Geschichte, also konnte ich viel daraus ziehen, um Nightcliff aufzubauen. Ich wusste, dass ich eine Stadt mit unsteter Geographie erschaffen wollte. Es sollte ein Ort sein, an dem Gebäude, Straßen und sogar ganze Häuserblocks sich verschieben oder ganz verschwinden können. Darauf aufbauend habe ich mir überlegt, dass es cool wäre, dass verschwundene Gebäude nicht völlig verschwunden wären, sondern einfach verloren gehen. Nightcliff mag wie eine wandernde Düne einen Ort verschlingen, aber dafür einen anderen freigeben. Dies entwickelte sich in das Konzept, dass die Töchter des Khaine nur die neuesten Bewohner von Nightcliff sind. Tiefer in den Schatten verbergen sich noch Spuren viel älterer Zivilisationen.

Natürlich wäre dies ein schrecklicher Heimatort, weshalb ich mir die Frage stellen musste, warum irgendjemand dort eine Stadt errichten wollte. Es muss eine Methode geben, wie man die wichtigen Teile der Stadt erhalten kann. Der Palast der Matriarchin oder die wichtigen Hafenviertel können nicht einfach über Nacht verschwinden. Dann kam mir die Idee von Aufmerksamkeit als stabilisierender Faktor. Städte sind lebende Konstrukte. Stadtteile wachsen und gedeihen und können mit der Zeit wieder schwinden, im Einklang mit den Bewohnern, die kommen und gehen.

So heimlich sie ist, kann auch Maleneth nicht spurlos verschwinden. Damit im Hinterkopf kam mir der Gedanke einer Stadt, die stets versucht, vor ihren Einwohnern zu verschwinden. Da eines der Themen des Romans Maleneths Versuch ist, ihre Vergangenheit wieder zu entdecken, dachte ich, dass es spannend wäre, wenn sie wortwörtlich in den Ruinen halb verschwundener Viertel herum stochert, um ihre Vergangenheit wieder zum Vorschein zu holen.

WarCom: Was kannst du uns über Maleneths Begleiter über den Verlauf der Geschichte hinweg sagen? Wie sind sie im Vergleich zu ihren vorherigen Weggefährten?

Evan: Obwohl sie so viel Zeit mit der Seele ihrer Herrin und Gotrek verbracht hat, hatte ich immer den Eindruck, dass Maleneth im Herzen eine Einzelgängerin ist. Das hat viel lustige interpersonelle Reibungen erzeugt, besonders deswegen, weil sie den Wert verlässlicher Verbündeter zu schätzen gelernt hat. Aber zugleich ist sie wirklich nicht gerne in der Nähe von anderen Personen.

Damit im Hinterkopf versuchte ich, eine Reihe von Begleitern zu erschaffen, die so moralisch dubios sind wie Maleneth selbst. Ich mag den Gedanken, dass ein Haufen schlechter Personen zusammenkommt, um jemanden aufzuhalten, der noch schlechter ist. Zu einem gewissen Grad haben alle Gesellschaften in den Reichen der Sterblichen ihre Schattierungen von Gut und Böse. Es war lustig zu sehen, ein wenig darin herum zu stochern und zu sehen, was dabei herauskommt.

Wie Gotrek und Trachos sind Maleneths neue Gefährten Außenseiter. Manche haben es so gewählt, andere sind in diese Position gezwungen worden. Als eine Außenseiterin macht es nur Sinn, dass Maleneth zu Personen an den Rändern der Gesellschaft neigt. Ich wollte auch meinen Tribut an die Romane von William King und die Pen-and-Paper-Rollenspiele meiner Jugend zollen, indem ich Andeutungen der guten alten Gruppe von Abenteurern eingestreut habe. Nun, zugegeben, keiner von uns würde wohl gerne Teil dieser Gruppe sein.

WarCom: Ohne jetzt zu viel im Voraus zu verraten, hattest du an einem Teil besonders viel Spaß zu schreiben?

Evan: Es wäre ein wenig billig zu sagen, dass der ganze Roman fantastisch war. Nachdem ich eine Reihe von Protagonisten hatte, die alle moralisch gut waren, war es ein dunkles Vergnügen, jemanden mit etwas dubioseren Ethiken zu schaffen.

Wenn ich meinen Lieblingsteil herauswählen sollte, dann würde ich sagen, dass es die Gelegenheit war, Maleneths Hintergrundgeschichte noch etwas auszubauen. Auch wenn wir schon viele Geschichten aus ihrer Sicht erlebt haben, sind die Details über Maleneths Zeit vor ihrem Aufeinandertreffen mit Gotrek überraschend schwammig. Es hat Spaß gemacht, Taten und Charakterzüge aus den vorherigen Romanen zu wählen und daraus Maleneths Hintergrundgeschichte rückzuentwickeln. Außerdem gab es mir die Gelegenheit, meinen eigenen Twist für bekannte Tatsachen zu wählen, wie etwa, dass Maleneth ihre vormalige Herrin ermordete, opferte und ihre Seele in einen Anhänger sperrte.

Es war auch interessant, einen kleineren Umfang zu haben. Auch wenn Maleneths Reise sie nach Chamon und Ulgu verschlägt, so ist der Hauptteil der Geschichte in Nightcliff angesiedelt. Nach mehreren Romanen mit großen Armeen und fantastischen, filmreifen Schlachten war es erfrischend, sich auf kleine, subtilere Konflikte zu konzentrieren. Aber ich will damit nicht sagen, dass es keine großen, filmreifen Kämpfe geben wird. Ein Khailebron-Meuchelmörder geht nur eben anders vor als ein sigmaritischer Erster Marschall oder ein Suchender der Lumineth.



Danke Evan! Shade of Khaine ist diesen Samstag mit einer fantastischen Special Edition (Englisch) zur Vorbestellung erhältlich. Außerdem gibt es jetzt die brandneue Miniatur von Maleneth Hexenklinge selbst.